1Ne 8:17-38. Der Traum Lehis, zweiter Teil

17  Und es begab sich, dass ich begierig war, dass Laman und Lemuel auch kommen sollten und von der Frucht äßen; darum ließ ich meine Augen zum Beginn des Flusses schweifen, dass ich sie vielleicht sehen möge.

18  Und es begab sich, dass ich sie sah, aber sie wollten nicht zu mir kommen und von der Frucht mit mir essen.

19  Und ich sah eine Stange von Eisen, und sie streckte sich entlang des Ufers von Fluß und führte zu dem Baum, bei welchem ich stand.

20  Und ich sah auch einen geraden und engen Pfad, der entlang der Stange von Eisen hinzukam, eben zu dem Baum, bei welchem ich stand; und er führte auch am Beginn der Quelle vorbei, zu einem großen und geräumigen Feld, als wenn es eine Welt gewesen war.

21 Und ich sah zahllose Versammlungen von Menschen, von denen viele vorwärts drängten, dass sie den Pfad erreichen würden, der zu dem Baum führte, bei welchem ich stand.

22 Und es begab sich, dass sie vor kamen und begannen auf dem Pfad, welcher zum Baum führte.

23  Und es begab sich, dass da ein Nebel von Finsternis aufkam; ja, sogar ein außerordentlich großer Nebel von Finsternis, so sehr, dass die, die auf dem Pfad begonnen hatten, ihren Weg verloren, dass sie wegwanderten und verloren waren.

24 Und es begab sich, dass ich andere vorwärtsdrängen sah,  und sie kamen vor und ergriffen die Stange von Eisen, und sie drängten vorwärts durch die Nebel von Finsternis, sich an die Stange von Eisen klammernd, in einer Weise bis sie vorkamen und von der Frucht des Baumes aßen.

25 Und nachdem sie von der Frucht des Baumes gegessen hatten, ließen sie ihre Augen schweifen, als wären sie beschämt.

26 Und ich ließ meine Augen auch rund herum schweifen, und sah auf der anderen Seite des Flusses von Wasser ein großes und geräumiges Gebäude; Und es stand, als wäre es in der Luft, hoch über der Erde.

27 Und es war gefüllt mit Leuten, sowohl alt als auch jung, sowohl männlich als auch weiblich; und die Weise ihrer Kleidung war außerordentlich fein; und sie waren in der Haltung des Spottens und zeigten ihre Finger auf diejenigen, die hinauf gekommen waren, und gerade von der Frucht aßen.

28 Und nachdem sie von der Frucht gekostet hatten, waren sie beschämt wegen denen, die dabei waren, die sie zu verhöhnen; und sie vielen ab, hinein zu verbotenen Wegen und waren verloren.

29 Und nun, ich, Nephi, spreche nicht all die Worte meines Vaters.

30 Aber um kurz zu schreiben, siehe, er sah andere Vielzahlen vorwärts drängen; und sie kamen und ergriffen die Stange von Eisen; und sie drängten ihren Weg vorwärts, fortwährend die Stange von Eisen festhaltend, bis sie vor kamen und hinfielen und die Frucht des Baumes aßen.

31 Und er sah auch andere Vielzahlen ihren Weg vorwärtsdrängen zu dem großen und geräumigen Gebäude.

32 Und es begab sich, dass viele in den Tiefen der Quelle ertranken; und viele waren von seinem Blick verloren, seltsame Straßen wandernd.

33 Und groß war die Vielzahl, die in das seltsame Gebäude eintraten. Und nachdem sie in das Gebäude eintraten, zeigten sie den Finger der Verachtung auf mich und diejenigen, die auch von der Frucht gegessen hatten; aber wir beachteten sie nicht.

34 So sind die Worte meines Vater, jedes einzelne von ihnen, denn so viele sie beachteten, waren abgefallen.

35 Und Laman und Lemuel aßen nicht von der Frucht, sagte mein Vater.

36 Und es begab sich, nachdem mein Vater all die Worte von seinem Traum oder Vision gesprochen hatte, welche viele waren, sagte er uns, wegen dieser Dinge die er in einer Vision gesehen hatte, fürchtete er außerordentlich für Laman und Lemuel; ja, er fürchtete, dass sie nicht von der Gegenwart Gottes abgeschnitten würden.

37 Und er ermahnte sie mit all dem Gefühl eines zärtlichen Vaters, dass sie auf seine Worte hören würden, so dass vielleicht der Herr ihnen barmherzig sein würde, und sie nicht abschneiden würde; ja, mein Vater predigte ihnen.

38 Und nachdem er ihnen gepredigt hatte und auch über viele Dinge prophezeit hatte,  bat er sie, die Gebote des Herrn zu halten, und er hörte auf, zu ihnen zu sprechen.

Kommentar

Sprachlich

V 20: eng und schmal oder gerade und schmal

Im Originalmanuskript wird zwischen den gleichklingenden Worten strait (eng) und straight (gerade) kein Unterschied gemacht, es steht immer „strait“, selbst da, wo der Zusammenhang klar „straight“ erfordert. In einer späteren Ausgabe des Buches Mormon wurden dann generell alle „strait“ durch „straight“ ersetzt, was meist passt, nicht jedoch hier. Dieser Vers erinnert deutlich an den  geraden und schmalen Pfad aus dem Neuen Testament, es ist logischer hier „gerade“ als „eng“ zu wählen.

V 24: Vorwärtsdrängen

Im Originalmanuskript steht hier „pressing“, Oliver Cowdery hat hier in der Abschrift für den Drucker irrtümlich „feeling“ geschrieben, und dieser Abschreibfehler zieht sich seither durch alle Auflagen des Buches.

V 24 die Nebel

Im Originalmanuskript stand hier der Plural, Oliver Cowdery hat sich im Manuskript für den Drucker zuerst verschrieben und die Einzahl verwendet, das dann aber gleich wieder ausgebessert. Dennoch war in der Erstausgabe von 1830 nur von dem Nebel die Rede, und nachfolgende Editionen haben das übernommen.

V 27: hinauf statt herzu

Das Originalmanuskript hat hier das Wort „up“, im Druckermanuskript ist hier ein Abschreibfehler, und der ist dann auch in allen Ausgaben zu finden. Hinauf ist aber gerade auch im Tempelkontext das sinnvollere Wort.

Parallelismen

Polysyndeton: Und-Liste

13 Und als ich meine Augen rundherum schweifen ließ, dass ich vielleicht auch meine Familie entdecken würde,

und ich sah einen Fluß Wassers, und er lief entlang, und er war nahe dem Baum, von dessen Frucht ich gerade aß.

14 Und ich schaute um zu sehen, woher er kam;

Und ich sah den Ursprung davon ein bißchen abseits,

und am Ursprung davon sah ich eure Mutter Sariah, und Sam und Nephi;

und sie standen als ob sie nicht wüßten, wohin sie gehen sollten.

15 Und es begab sich, dass ich ihnen winkte;

und ich sagte auch zu ihnen mit lauter Stimme, dass sie zu mir kommen sollten

und von der Frucht essen sollten, welche begehrenswert war über alle andere Frucht hinaus.

16 Und es begab sich, dass sie zu mir kamen

und auch von der Frucht aßen.

17  Und es begab sich, dass ich begierig war, dass Laman und Lemuel auch kommen sollten

und von der Frucht äßen; darum ließ ich meine Augen zum Beginn des Flusses schweifen, dass ich sie vielleicht sehen möge.

18  Und es begab sich, dass ich sie sah, aber sie wollten nicht zu mir kommen und von der Frucht mit mir essen.

19  Und ich sah eine Stange von Eisen,

und sie streckte sich entlang des Ufers von Fluß und führte zu dem Baum, bei welchem ich stand.

20  Und ich sah auch einen geraden und engen Pfad, der entlang der Stange von Eisen hinzukam, eben zu dem Baum, bei welchem ich stand; und er führte auch am Beginn der Quelle vorbei, zu einem großen und geräumigen Feld, als wenn es eine Welt gewesen war.

Mit dieser langen Und-Liste betont Nephi den Zusammenhang und bindet diesen Block enger zusammen.

Chiasmus V. 22-24

A Und es begab sich, dass sie vor kamen
…B und begannen auf dem Pfad, welcher zum Baum führte.
…….C Und es begab sich, dass da ein Nebel von Finsternis aufkam;
…….C ja, sogar ein außerordentlich großer Nebel von Finsternis,
…B so sehr, dass die, die auf dem Pfad begonnen hatten,
A ihren Weg verloren, dass sie wegwanderten und verloren waren.

Hier steht der finstere Nebel im Zentrum, denn durch ihn gingen die, die begonnen hatten, verloren.

Progression

24 Und es begab sich, dass ich andere vorwärtsdrängen sah,
und sie kamen vor
und ergriffen die Stange von Eisen,
und sie drängten vorwärts
durch die Nebel von Finsternis,
sich an die Stange von Eisen klammernd,
in einer Weise bis sie vorkamen
und von der Frucht des Baumes aßen.

Nephi gibt uns hier immer ein Element nach dem Anderen, um die Spannung zu steigern.

Parallele Alternativen V. 30

Aber um kurz zu schreiben,

a siehe, er sah andere Vielzahlen vorwärts drängen;
…b und sie kamen und ergriffen die Stange von Eisen;

a und sie drängten ihren Weg vorwärts,
…b fortwährend die Stange von Eisen festhaltend, bis sie vor kamen

und hinfielen und die Frucht des Baumes aßen.

Inhaltlich

V19: Und ich sah eine Stange von Eisen, und sie streckte sich entlang des Ufers von Fluß und führte zu dem Baum, bei welchem ich stand.

Wir sind mit zwei unterschiedlichen Darstellungen der Liebe Gottes konfrontiert: Einerseits der Baum, zu dem man strebt, indem man sich an der Stange, dem Wort Gottes entlang hantelt, bis man zur Liebe Gottes kommt, andererseits führt die Stange auch am Wasser vorbei, das die Liebe Gottes darstellt. Wir sind für das volle Ausmaß der Liebe Gottes zunächst nicht bereit, auch wenn sie immer in unserer Nähe ist und wie der Fluß in der Tempelvision des Hesekiel das Land um uns belebt.

V20: Und ich sah auch einen geraden und engen Pfad, der entlang der Stange von Eisen hinzukam, eben zu dem Baum, bei welchem ich stand; und er führte auch am Beginn der Quelle vorbei, zu einem großen und geräumigen Feld, als wenn es eine Welt gewesen war.

Jesus ist der Weg.

Jesus ist aber auch das Wort Gottes, also die Stange.

Jesus ist aber auch die Herablassung, die Liebe Gottes, also der Baum und die Quelle von Wasser.

Das große, geräumige Feld steht für die telestiale Welt.

V21 Und ich sah zahllose Versammlungen von Menschen, von denen viele vorwärts drängten, dass sie den Pfad erreichen würden, der zu dem Baum führte, bei welchem ich stand. 22 Und es begab sich, dass sie vor kamen und begannen auf dem Pfad, welcher zum Baum führte.

Viele drängten vorwärts und wollten den Pfad erreichen, aber nicht alle. Den Pfad zu benutzen bedeutet, in die Nachfolge Jesu einzutreten. Sie tun das als Ver- oder Ansammlungen.

V23  Und es begab sich, dass da ein Nebel von Finsternis aufkam

Der Nebel von Finsternis stellt Satan und seine Macht dar.

… so sehr, dass die, die auf dem Pfad begonnen hatten, ihren Weg verloren, dass sie wegwanderten und verloren waren.

Sie drängen zwar darauf, Christus nachzufolgen, sie tun es aber ohne die Stange, das Wort Gottes. Sozusagen nach eigenem Gutdünken und Verstehen. Deswegen kommen sie vom Weg ab.

Nachfolge ohne Festhalten des geschriebenen und gesprochenen Wortes Gottes, Nachfolge ohne Propheten, verdirbt das Volk (Spr 29:18)

V25 Und nachdem sie von der Frucht des Baumes gegessen hatten, ließen sie ihre Augen schweifen, als wären sie beschämt.

Im Gegensatz zu erfolgreicheren Gruppen kommen diese zum Baum und essen davon, aber ohne sich niederzulassen. Sie lassen sich also nicht vollständig darauf ein. Statt dessen lassen sie ihre Augen umherschweifen, ob es nicht noch was Besseres gäbe. Sie sind beschämt, beachten das, was andere sagen mehr, als das, was sie selbst erfahren haben. Sie schauen über das Ziel hinaus.

V26 Und ich ließ meine Augen auch rund herum schweifen

Nephis Absicht liegt nicht darin, über das Ziel hinauszuschauen, sondern er will verstehen, was mit den anderen passiert ist.

 

V27: Und es war gefüllt mit Leuten, … und die Weise ihrer Kleidung war außerordentlich fein; und sie waren in der Haltung des Spottens …

Das Gebäude und die Leute darin stehen für „außen hui, innen pfui“.Sie füllen die innere Lehre mit Kleidung und Kostbarkeiten, und sie erheben sich selbst, fühlen sich selbst gut, indem sie andere verachten und verspotten. Hier wird die schwerste Sünde der Nephiten angeschnitten: Stolz, Spaltung und Parteiung und Verachtung statt Hilfe und Nächstenliebe.

 

Im Webster’s Dictionary von 1828 wird das Wort „attitude“, hier mit Haltung übersetzt, folgendermaßen umschrieben:

 

Bei Bildern und Skulpturen die Haltung oder Aktion, in die eine Figur oder Statue gesetzt ist; die Gestik einer Figur oder Status; eine Ausrichtung der Teile, die die Aktion und das Gefühl ausdrücken, die eine Person darstellt.

 

Für eine Vision ist dies ein sehr passender Ausdruck.

 

V30: bis sie vor kamen und hinfielen und die Frucht des Baumes aßen.

Ein starker Kontrast zu denen in Vers 25, die im Stehen aßen. Sie kommen, sie fallen nieder, und dann essen sie. Sie drücken damit auch aus, dass sie nicht nur die Liebe Gottes erfahren, sondern sich auch geborgen fühlen und sich vollständig auf Gott einlassen.

V31 Und er sah auch andere Vielzahlen ihren Weg vorwärtsdrängen zu dem großen und geräumigen Gebäude.

Das sind also Leute, die von Anfang an nicht zu dem Baum wollten. Sie haben mit Absicht das Gebäude gesucht. Im Gebäude versammelt sich „Reich, Schön und Hohl“. Sie sind dort nicht glücklich, haben aber Benefits. Es handelt sich um ein Werbeversprechen. Gerade, wenn wir VIPs und ihr leben verfolgen, stellen wir fest, sie sind in schönste Gewänder gekleidet, gelten vielen als erstrebenswerte Vorbilder, sind aber zu tiefst unglücklich, trotz aller Benefits.

32 Und es begab sich, dass viele in den Tiefen der Quelle ertranken; und viele waren von seinem Blick verloren, seltsame Straßen wandernd.

Im Vergleich zu denen, die tatsächlich im Gebäude einlagen, gibt es viele, die ihren Platz dort anstreben, aber nie erreichen. Man verliert sie aus den Augen, niemand redet von ihnen, sie verfehlen ihre Träume, kosten nicht von der Liebe Gottes, haben keine Benefits.

Aber dieser Irrweg fordert auch immer wieder Opfer. Auf der Suche nach Ruhm und Ansehen ertrinken sie im Dreck.

V34 ..denn so viele sie beachteten, waren abgefallen.

Den Menschen im Gebäude schenkt man Beachtung, wenn man sie für bedeutend oder maßgeblich hält, wenn man sich an ihnen orientiert. Dazu gehört auch, Gott dienen zu wollen, ohne den Satan (oder die Welt) zu verärgern.

 

V36 ..wegen dieser Dinge die er in einer Vision gesehen hatte, fürchtete er außerordentlich für Laman und Lemuel..

Nephi kehrt hier zum Auslöser der Vision zurück.

Laman und Lemuel sind nicht zum Haus gegangen. Sie sind auch nicht im Dreckwasser ertrunken oder aus Lehis Sicht verschwunden. Sie stehen immer noch nahe der Quelle lebendigen Wassers, haben also die Auswirkungen von Gottes Liebe erfahren, wollen aber nicht dem Erlöser aktiv nachfolgen. Sie haben nicht selbst direkt von der Liebe Gottes gekostet und sich satt gegessen, sind nicht dem Bündnispfad gefolgt, nicht zu Gott aufgestiegen.

Sie bleiben Zuschauer und Wartende auf dem Weg nach Damaskus.

 

V38 Und nachdem er ihnen gepredigt hatte und auch über viele Dinge prophezeit hatte,  bat er sie, die Gebote des Herrn zu halten, und er hörte auf, zu ihnen zu sprechen.

Man kann auch eine Beziehung kaputtpredigen. Statt zu helfen, treibt Predigen, das nicht mehr angenommen werden kann, die Menschen noch weiter fort. Daher ist es wichtig, damit auch aufzuhören.

 

 

 

1Nephi 8:1-15 Ich habe einen Traum geträumt

1 Und es begab sich, dass wir gesammelt hatten aller Art von Samen von jeder Sorte, sowohl Getreide von jeder Sorte als auch den Samen von Früchten von jeder Sorte.

2 Und es begab sich, dass, als mein Vater sich in der Wüste aufhielt, er zu uns sprach, indem er sagte: Siehe, ich habe einen Traum geträumt, oder in anderen Worten, ich habe eine Vision gesehen.

3 Und siehe, wegen der Sache, die ich gesehen habe, habe ich Grund, am Herrn Freude zu haben wegen Nephi und auch wegen Sam; denn ich habe Grund anzunehmen, dass sie, und auch viele von ihrem Samen, errettet sein werden.

4 Aber siehe, Laman und Lemuel, ich fürchte außerordenglich wegen euch; denn siehe, mich dünkte, ich sah eine dunkle und trostlose Wildnis.

5 Und es begab sich, dass ich einen Mann sah, und er war gekleidet in eine weiße Robe; und er kam und stand vor mir.

6 Und es begab sich, dass er zu mir sprach und mich aufforderte, ihm zu folgen.

7 Und es begab sich, dass ich ihm folgte, und nachdem ich ihm folgte, erblickte ich mich selbst, dass ich in einer dunklen und trostlosen Öde war.

8 Und als ich für den Zeitraum von vielen Stunden in der Dunkelheit gereist war, begann ich, zum Herrn zu beten, dass er Barmherzigkeit mit mir haben würde, gemäß der Vielzahl seiner zärtlichen Barmherzigkeiten.

9 Und es begab sich, dass nachdem ich zum Herrn gebetet hatte, sah ich ein großes und weites Feld.

10 Und es begab sich, dass ich einen Baum sah, dessen Frucht begehrenswert war, um glücklich zu machen.

11 Und es begab sich, dass ich voran ging und von dessen Fruch aß und sah, dass sie äußerst süß war, über alles, das ich jemals gekostet zuvor hatte. Ja, und ich sah, dass die Frucht davon weiß war, so sehr, dass sie alles Weiße überschritt, das ich je gesehen hatte.

12 Und als ich von dessen Frucht aß, füllte sie meine Seele mit außergewöhnlich großer Freude; weswegen ich begann, begierig zu sein, dass meine Familie auch von ihr essen sollte; denn ich wußte, dass sie begehrenswert war über alle andere Frucht hinaus.

13 Und als ich meine Augen rundherum schweifen ließ, dass ich vielleicht auch meine Familie entdecken würde, und ich sah einen Fluß Wassers, und er lief entlang, und er war nahe dem Baum, von dessen Frucht ich gerade aß.

14 Und ich schaute um zu sehen, woher er kam; Und ich sah den Ursprung davon ein bißchen abseits, und am Ursprung davon sah ich eure Mutter Sariah, und Sam und Nephi; und sie standen als ob sie nicht wüßten, wohin sie gehen sollten.

15 Und es begab sich, dass ich ihnen winkte; und ich sagte auch zu ihnen mit lauter Stimme, dass sie zu mir kommen sollten und von der Frucht essen sollten, welche begehrenswert war über alle andere Frucht hinaus.

16 Und es begab sich, dass sie zu mir kamen und auch von der Frucht aßen.

Text

Varianten

1Ne 8:1 Samen von Früchten

In den verschiedenen Ausgaben des Buches Mormon wurde an dieser Stelle mehrfach zwischen „Früchten“ und „Frucht“ gewechselt. Das Originalmanuskript hat hier jedoch die Mehrzahl.

1Ne 8:4 Mich dünkt

Das englische Wort „Methought“ wahr schon zu Zeiten der Übersetzung stark veraltet und kaum noch in Gebrauch. Es kommt auch nur zwei Mal im Buch Mormon vor (1Ne 8:4 und Alma 36:22, beide Male im Zusammenhang mit „Ich sah“). Oliver hat es zunächst im Druckermanuskript als „Ich denke“ (I thought) übertragen, dann aber seinen Fehler bemerkt und ausgebessert.

Mich dünkte, ich sah eine dunkle und trostlose Wildnis

In der 1837 Edition des Buches Mormon hat Joseph hier nach „ich sah“ die Worte„in einem Traum“ eingefügt, aber diese Ergänzung ist nicht wesentlich, da der Traum ja bereits erwähnt wurde.

1Ne 8:9 Und es begab sich, dass ich ihm folgte, und nachdem ich ihm folgte, erblickte ich mich selbst

Das Originalmanuskript lautet hier:

„Und es begab sich, als ich ihm folgte, und nachdem ich ihm folgte, erblickte ich mich selbst“

Dsas wirkt im Englischen grammatikalisch unvollständig.

Joseph hat in der 1837 Ausgabe die Worte „nachdem ich ihm folgte“ eliminiert, um das Problem zu lösen. Allerdings hat er in 7 anderen ähnlich gelagerten Fällen konsequent das „als“ eliminiert.

Andererseits findet sich die Kombination „Und es begab sich, dass als..“ in 26 anderen Versen. In beinahe allen anderen dieser Fälle ist das „als“ zeitlich zu sehen, so wie auch hier.

Das schlagende Argument ist, dass Nephi die Tendenz hat, „und es begab sich, dass x“ mit „und nachdem x“ zu kombinieren (1Ne 7:22; 1Ne 11:19; 1Ne 16:18; 1Ne 17:11; 1Ne 18:21), und so scheint es richtiger und einfacher, das „als“ zu eliminieren und den „und nachdem“ Satz wieder in den Text aufzunehmen.

1Ne 8:11 das ich jemals gekostet zuvor hatte

Im Englischen ist hier eine sehr unübliche Satzstellung, aber im Buch Mormon kommt sie recht häufig vor. Daher habe ich versucht, diese nachzuempfinden.

1Ne 8:13 dass ich vielleicht auch meine Familie entdecken würde, und ich sah

Diese im Deutschen wie im Englischen grammatikalisch falsche Konstellation („und“ nach einem Nebensatz) ist ein Hebraismus, also eine hebräische grammatikalische Form, die in der Übersetzung ins Englische übernommen wurde. Sie findet sich im Originalmanuskript, wurde aber im

Übersetzung

Robe

Das englische Wort „robe“ kann als Gewand übersetzt werden, in der Kirche verwenden wir jedoch durchaus den Begriff „Robe“, und das englische „Garment“, das auch im Buch Mormon vorkommt würde ebenfalls als „Gewand“ übersetzt werden. Um den Bedeutungsunterschied herauszuarbeiten, habe ich „Robe“ als Übersetzung gewählt.

Literarisch

1 Und es begab sich, dass

wir gesammelt hatten
aller Art von Samen von jeder Sorte,
sowohl Getreide von jeder Sorte
als auch den Samen von Früchten von jeder Sorte.

2 Und es begab sich, dass, als mein Vater sich in der Wüste aufhielt, er zu uns sprach, indem er sagte: Siehe, ich habe einen Traum geträumt, oder in anderen Worten, ich habe eine Vision gesehen.

3 Und siehe, wegen der Sache, die ich gesehen habe, habe ich Grund, am Herrn Freude zu haben wegen Nephi und auch wegen Sam; denn ich habe Grund anzunehmen, dass sie, und auch viele von ihrem Samen, errettet sein werden.

4 Aber siehe, Laman und Lemuel, ich fürchte außerordentlich wegen euch; denn siehe, mich dünkte, ich sah eine dunkle und trostlose Wildnis.

5 Und es begab sich, dass ich einen Mann sah, und er war gekleidet in eine weiße Robe; und er kam und stand vor mir.

6 Und es begab sich, dass er zu mir sprach und mich aufforderte, ihm zu folgen.

7 Und es begab sich, dass ich ihm folgte, und nachdem ich ihm folgte, erblickte ich mich selbst, dass ich in einer dunklen und trostlosen Öde war.

8 Und als ich für den Zeitraum von vielen Stunden in der Dunkelheit gereist war, begann ich, zum Herrn zu beten, dass er Barmherzigkeit mit mir haben würde, gemäß der Vielzahl seiner zärtlichen Barmherzigkeiten.

9 Und es begab sich, dass nachdem ich zum Herrn gebetet hatte, sah ich ein großes und weites Feld.

10 Und es begab sich, dass ich einen Baum sah, dessen Frucht begehrenswert war, um glücklich zu machen.

11 Und es begab sich, dass ich voran ging und von dessen Fruch aß und sah, dass sie äußerst süß war, über alles, das ich jemals gekostet zuvor hatte. Ja, und ich sah, dass die Frucht davon weiß war, so sehr, dass sie alles Weiße überschritt, das ich je gesehen hatte.

12 Und als ich von dessen Frucht aß, füllte sie meine Seele mit außergewöhnlich großer Freude; weswegen ich begann, begierig zu sein, dass meine Familie auch von ihr essen sollte; denn ich wußte, dass sie begehrenswert war über alle andere Frucht hinaus.

13 Und als ich meine Augen rundherum schweifen ließ, dass ich vielleicht auch meine Familie entdecken würde, und ich sah einen Fluß Wassers, und er lief entlang, und er war nahe dem Baum, von dessen Frucht ich gerade aß.

14 Und ich schaute um zu sehen, woher er kam; Und ich sah den Ursprung davon ein bißchen abseits, und am Ursprung davon sah ich eure Mutter Sariah, und Sam und Nephi; und sie standen als ob sie nicht wüßten, wohin sie gehen sollten.

15 Und es begab sich, dass ich ihnen winkte; und ich sagte auch zu ihnen mit lauter Stimme, dass sie zu mir kommen sollten und von der Frucht essen sollten, welche begehrenswert war über alle andere Frucht hinaus.

Exergasia (Ausarbeitung)

Die zweite und dritte Zeile erklären näher, was in der ersten bereits gesagt wurde:

Vers 1: aller Art von Samen von jeder Sorte,
sowohl Getreide von jeder Sorte
als auch den Samen von Früchten von jeder Sorte.

Jede Zeile endet gleich: „von jeder Sorte“

Etymologische Figur

Eine vorallem im Hebräischen, aber auch Lateinischen übliche Redefigur, bei der ein Verb und ein Substantiv mit gleichem Wortstamm miteinander verbunden sind. Sie dient der Bekräftigung und Verstärkung der Wortbedeutung. Im Deutschen und Englischen wird sie sehr selten verwendet, im Hebräischen häufig:

Vers 2:  Siehe, ich habe einen Traum geträumt, oder in anderen Worten, ich habe eine Vision gesehen.

Im 19. Jahrhundert wurde im Deutschen „Vision“ noch übersetzt: „Gesicht“. Etwas, das man sieht.

Epibole –unregelmäßige Wiederholung

Wie bei allen Wiederholungsfiguren wird die Aufmerksamkeit geweckt, manchmal, so auch hier, baut  die Wiederholung das Wiederholte aus.

Vers 3: habe ich Grund, am Herrn Freude zu haben …
denn ich habe Grund anzunehmen, dass sie … errettet sein werden…

Polysyndeton: Und-Listen

Mehr dazu hier. (https://de.wikipedia.org/wiki/Polysyndeton)

5 Und es begab sich, dass ich einen Mann sah,
und er war gekleidet in eine weiße Robe;
und er kam und stand vor mir.
6 Und es begab sich, dass er zu mir sprach
und mich aufforderte, ihm zu folgen.
7 Und es begab sich, dass ich ihm folgte,
und nachdem ich ihm folgte, erblickte ich mich selbst, dass ich in einer dunklen und trostlosen Öde war.
8 Und als ich für den Zeitraum von vielen Stunden in der Dunkelheit gereist war,  …

Auch in Vers 13 beginnt eine Und-Liste, die bis Vers 20 geht. Sie wird im nächsten Beitrag bearbeitet.

Chiasmus

8 …

A begann ich, zum Herrn zu beten,
….B dass er Barmherzigkeit mit mir haben würde,
….B gemäß der Vielzahl seiner zärtlichen Barmherzigkeiten.
A Und es begab sich, dass nachdem ich zum Herrn gebetet hatte
[..]

Hier ist der Wendepunkt, das Wichtigste, worauf Nephi uns stoßen will, die Barmherzigkeit des Herrn.

10 …

A Und es begab sich, dass ich einen Baum sah,
….B dessen Frucht begehrenswert war, um glücklich zu machen.
……..C Und es begab sich, dass ich voran ging und von dessen Fruch aß
…………D…a und sah, dass sie äußerst süß war,
…………D……b über alles, das ich jemals gekostet zuvor hatte.
…………D…a Ja, und ich sah, dass die Frucht davon weiß war,
…………D……b so sehr, dass sie alles Weiße überschritt, das ich je gesehen hatte.
……..C Und als ich von dessen Frucht aß,
….B füllte sie meine Seele mit außergewöhnlich großer Freude;
A weswegen ich begann, begierig zu sein,

dass meine Familie auch von ihr essen sollte; denn ich wußte, dass sie begehrenswert war über alle andere Frucht hinaus.

Die Eigenschaften der Frucht sind das Zentrum. Die Frucht, wie wir später erfahren, für die Liebe Gottes steht, ist die größte Motivation und Freude.

Kommentar

Kapiteltrennung

In der ursprünglichen Ausgabe des Buches Mormon beginnt hier kein neues Kapitel. Der Vers 1 trennt und verbindet die beiden Erzählungsteile: Die Söhne Lehis und die Familie Ischmaels sind am Zwischenziel angekommen, sie haben gedankt und geopfert, und sie haben Samen gesammelt.

Die Familie hatte hier Samen gesammelt, und bevor sie in 1Ne 16 wieder weiterziehen, werden sie noch einmal sammeln. Warum Nephi das hier einschiebt, ist unklar. Es könnte hier ein Hinweis darauf sein, wie viel Zeit sie an diesem Ort verbringen.

Manche vermuten auch, dass das Verhalten der älteren Brüder in Kapitel 7 den Traum Lehis ausgelöst haben könnte.

Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens, der in dieser Vision zentral ist, findet sich auch im Garten Eden und in der Offenbarung des Johannes. Beides sind Tempelthemen: Im Salomonischen Tempel steigt der Hohepriester durch die Schöpfung, die der Tempel darstellt, den Berg Gottes hinauf, um in die Gegenwart Gottes zu gelangen.

Neuere Forschung zeigt: Im alten Tempel wird der Baum des Lebens durch den siebenarmigen Leuchter, die Menora, dargestellt. Auf dem Weg hinauf gibt es die Schöpfung als Ganzes zu sehen, dann kommt der Konflikt mit Satan im Garten Eden, und das Ritual endet, wenn der Hohepriester in der Gegenwart Gottes angekommen als einer der Elohim, der Engel Gottes, an Seinem Rat teilnimmt.

In diesem Sinne knüpft der Traum Lehis an Tempelbildern und –themen an. Auch hier betrachtet man die Schöpfung: Lehi sagt  in Vers 20, das Feld war so weit, als sei es eine Welt. Man strebt hinauf zum Baum, der Baum ist die Liebe Gottes, die man erfährt (hier wird also auch auf Einssein mit Gott angespielt) und dazwischen gibt es den Satan, der mit Nebel, schmutzigem Wasser und mit dem Spott aus dem großen und geräumigen Gebäude eine Auseinandersetzung anstrebt.

Die methodistische Alttestamentlerin Margaret Barker weist darauf hin, dass der Baum selbst aber auch für die Herrin des Tempels, die Gefährtin Jahwes, die Mutter im Himmel stand. In diesem zusammenhang ist interessant, dass Lehis Traum den Baum mit der Geburt Jesu und mit Maria zeigt.

Darlegung des Erlösungsplans

Wie auch der Tempel ist diese Vision eine Darlegung des ganzen Erlösungsplanes. Es geht um Erlösung, aber auch darum, anderen, allen voran der eigenen Familie, die Erlösung nahe zu bringen.

Eigener Weg für Lehi

Interessanterweise geht Lehi nicht an der Eisernen Stange entlang, sondern er sieht sie erst, als er beim Baum angelangt ist und seine Familie sucht.

Parallelen

Interessanter Weise gibt es eine Apokryphe des Alten Testamentes, die jedenfalls vor 250 nChr. entstanden ist: Die „Geschichte der Rechabiter“.

In dieser jüdisch-christlichen Erzählung führt Gott die Rechabiter, die in Jeremia 35 erwähnt werden, in den Tagen Jeremias aus Jerusalem fort. Sie finden auf einer Insel des Meeres eine neue Heimat. In dieser neuen Heimat verkündet ein Engel des Herrn ihnen die Geburt des Sohnes Gottes durch eine Jungfrau. Auch in dieser Erzählung wird von einemr Vision mit einem Baum berichtet, aber die Frucht des Baumes ist dort nebensächlich, während sie im Buch Mormon zentral ist.

Interessant ist auch, dass Jospeh Smith sen., der Vater des Propheten, einen sehr ähnlichen Traum hatte, wie Lehi. Allerdings tritt dieser Traum erstmals in einem Buch zu Tage, das Lucy Mack Smith, die Mutter des Propheten, im Jahr 1853 schreibt. Smith sen. soll den Traum soll aber schon vor 1830 gehabt haben. Es ist gut möglich, dass der Traum Lehis die Art und Weise beeinflusst hat, wie Lucy sich an den Traum ihres Mannes erinnert und wie sie ihn formuliert hat. Der Historiker Richard L. Bushman zeigt die Möglichkeit auf, dass Lucy ihren Mann als eine Lehi-Figur und ihren Sohn als Nephi zeichnet, indem sie die Parallelen zwischen den beiden Träumen überbetont.

Izapa Stele 5

1941 wurde eine Stele in Mittelamerika gefunden, die in den 60er Jahren von Gelehrten der Kirche als Darstellung von Lehis Traum gesehen wurde. Der wissenschaftliche Konsens ist, dass diese Stele einen mittelamerikanischen Schöpfungsmythos darstellt, in dessen Zentrum der Weltenbaum steht. Insoferne gibt es Parallelen, aber die nahe Verbindung, die man bis in die 90er Jahre zum Traum Lehis sah, ist nicht gegeben.

1Nephi 7:16-22 – eine Parallele zu Joseph von Ägypten

16 Und es begab sich, dass, als ich, Nephi, diese Worte zu meinen Brüdern gesprochen hatte, sie wütend auf mich wurden. Und es begab sich, dass sie Hand an mich legten, denn siehe, sie waren außerordentlich wütend, und sie banden mich mit Stricken, denn sie trachteten danach, mir das Leben zu nehmen, dass sie mich in der Wildnis lassen würden, um von wilden Tieren gefressen zu werden.

17 Aber es begab sich, dass ich zum Herrn betete und sagte: O Herr, gemäß dem Glauben, der in mir ist, wirst Du mich befreien aus den Händen meiner Brüder; ja, nämlich mir die Stärke geben, dass ich diese Bande zerreißen kann, mit denen ich gebunden bin?

18 Und es begab sich, dass, als ich diese Worte gesagt hatte, siehe, die Bande lösten sich von meinen Händen und Füßen und ich stand vor meinen Brüdern, und ich sprach wiederum zu ihnen.

19 Und es begab sich, dass sie wiederum wütend auf mich waren, und sie versuchten Hand an mich zu legen. Aber siehe, eine der Töchter Ischmaels, ja, und auch ihre Mutter, und einer der Söhne Ischmaels baten sie inständig, so sehr, dass sie ihre Herzen erweichten, und sie hörten auf zu versuchen, mir das Leben zu nehmen.

20 Und es begab sich, das sie sehr traurig wegen ihrer Schlechtigkeit, so sehr, dass sie sich vor mir niederbeugten und mich inständig baten, dass ich ihnen die Sache vergeben würde, die sie gegen mich getan hatten.

21 Und es begab sich, dass ich ihnen vorbehaltlos alles vergab, was sie getan hatten, und ich ermahnte sie, dass sie zum Herrn, ihrem Gott, um Vergebung beten sollen.Und es begab sich, dass sie dies taten. Und nachdem sie fertig damit waren, zum Herrn zu beten, reisten wir auf unserer Reise weiter in Richtung des Zeltes unseres Vaters.

22 Und es begab sich, dass wir hinunter kamen zum Zelt unseres Vaters. Und nachdem ich und meine Brüder und das ganze Haus Ischmaels hinunter gekommen waren zum Zelt meines Vaters, boten sie dem Herrn ihrem Gott ihren Dank dar, und sie brachten ihm  Opfer und Brandopfer.

Text

Varianten

Nur eine einzige Textvariante ist im Deutschen relevant: „Gemäß dem Glauben, der in mir ist“. Oliver Cowdery hat dies im Druckermanuskript geändert auf „gemäß dem Glauben, der in Dir ist“ (wörtlich) bzw. „den ich in Dich habe“.  Die Formulierung „Glaube, der in mir ist“ ist einzigartig im Buch Mormon, aber es gibt durchaus andere Phrasen, die diese Lesart wahrscheinlich machen. Die Grundbedeutung bleibt gleich, auch wenn in der ursprünglichen Formulierung stärker darauf hingewiesen wird, dass Nephis Glaube eine innere Sache ist.

Übersetzung

Das Buch Mormon ist auf Englisch (was die Wortwahl angeht) in einer einfachen Sprache gehalten: In der des 18jährigen Joseph Smith, der nicht sehr belesen war und im Gegensatz zu seinen Geschwistern damals noch nicht mal die ganze Bibel gelesen hatte. Während das Neue Testament insgesamt 80.000 Worte kürzer ist als das Buch Mormon, hat das Buch Mormon einen um 400 Worte geringeren Wortschatz.Der Wortschatz ist recht einfach gehalten, sieht man von den Jesaja-Zitaten ab.  Insofern ist das Buch Mormon auf Englisch leicht zu lesen. Das deutsche Buch Mormon wird selten als „leicht zu lesen“ empfunden. Dies kann mehrere Gründe haben. Einer ist sicherlich, dass eine Übersetzung in den allermeisten Fällen „gestelzter“ klingt. Vorallem, wenn man sich bemüht, nahe am Text zu bleiben. Ein anderer Grund liegt vielleicht auch im Deutschunterricht, der darauf Wert legt, einen gewählten Ausdruck zu verwenden und Wortwiederholungen zu vermeiden. Der Wortschatz des Übersetzers spielt sicher auch eine Rolle. Zu guter Letzt hat der Leser die Erwartungshaltung, dass ein Heiliger Text aus alter Zeit sich sprachlich an der Bibel orientiert.

Ich habe mich bemüht, die Einfachheit des Wortschatzes beizubehalten. Joseph übersetzte zB. die Emotion Lamans und lemuels mit „angry with me“. Im Deutschen wäre „zornig auf“ eine gute Übersetzung, aber nicht dem einfachen Wortschatz eines 18jährigen entsprechend. Ich habe daher „wütend“ gewählt.

Und es begab sich, dass ich ihnen vorbehaltlos  alles vergab

In den Übersetzungen der Kirche wurde „frankly“ meist als „freimütig“ übersetzt. Der Duden gibt als Bedeutung von freimütig: „ohne Ängste und falsche Rücksicht seine Meinung bekennend; offen“

Das Webster’s Dictionary von 1828 gibt jedoch folgende Synonyme: Openly; freely; ingenuously; without reserve, constraint or disguise, liberally; freely; readily.

Es geht also weniger um „ohne Ängste und falsche Rücksicht“, sondern er vergab ihnen rasch und ohne Hintergedanken. Insofern sehe ich „vorbehaltlos“ als den besseren Ausdruck.

Zum Zelt unseres Vaters – zum Zelt meines Vaters

Nephi redet zuerst von „unserem Vater“, dann aber von „meinem Vater“. Möglicherweise will er damit ausdrücken, dass er mit seinem Vater die „Kerntruppe“ bildet.

Sprache

Chiasmus

Wieder baut Nephi an diesem wichtigen Wendepunkt einen Chiasmus ein, diesmal einen ziemlich komplexen:

Und es begab sich, dass, als ich, Nephi, diese Worte zu meinen Brüdern gesprochen hatte,

A..a..a sie wütend auf mich wurden..
………b..b Und es begab sich, dass sie Hand an mich legten,
…..a denn siehe, sie waren außerordentlich wütend,
……..b und sie banden mich mit Stricken,
……..c denn sie trachteten danach, mir das Leben zu nehmen, dass sie mich in der Wildnis lassen würden, um von wilden Tieren gefressen zu werden.

……….B Aber es begab sich, dass ich zum Herrn betete und sagte:
……………C O Herr, gemäß dem Glauben, der in mir ist, wirst Du mich befreien aus den Händen meiner Brüder befreien;
……………C ja, nämlich  mir die Stärke geben, dass ich diese Bande zerreißen kann, mit denen ich gebunden bin?
….. …..B Und es begab sich, dass, als ich diese Worte gesagt hatte, siehe, die Bande lösten sich von meinen Händen und Füßen und ich stand vor meinen Brüdern, und ich sprach wiederum zu ihnen.

A…..a Und es begab sich, dass sie wiederum wütend auf mich waren,
……………b und sie versuchten Hand an mich zu legen. Aber siehe, eine der Töchter Ischmaels, ja, und auch ihre Mutter, und einer der Söhne Ischmaels baten sie inständig,
………………..c so sehr, dass sie ihre Herzen erweichten, und sie hörten auf zu versuchen, mir das Leben zu nehmen.

Nephi baut die Spannung auf: Er zeigt die Emotion seiner Brüder, dann die Handlung, dann die Absicht. Das ist eigentlich in verdrehter Reihenfolge, denn nach der Emotion käme eigentlich die Absicht und dann die Handlung.

Dies führt zu seinem Gebet, das Gebet hat seinen Glauben und die Befreiung durch Gott im Zentrum.

Und dann baut er die Spannung in umgekehrter Reihenfolge wieder ab.

Indem er diesen Teil der Erzählung in Gedichtform bringt, weist Nephi auch darauf hin, dass er diese Erzählung inhaltlich an einer bekannten Vorlage ausrichtet. In diesem Fall: Die Geschichte von Joseph und seinen Brüdern. Gleichzeitig betont er auch die Bedeutung dieses Erlebnisses.

Abgestufte Parallelismen

20 Und es begab sich, das sie sehr traurig wegen ihrer Schlechtigkeit, so sehr, dass sie sich vor mir niederbeugten und mich inständig baten,
dass ich ihnen die Sache vergeben würde, die sie gegen mich getan hatten.

21 Und es begab sich,
dass ich ihnen vorbehaltlos alles vergab, was sie getan hatten, und ich ermahnte sie, dass sie
beten sollten zum Herrn, ihrem Gott um Vergebung. Und es begab sich, dass sie dies taten. Und nachdem sie fertig damit waren,
zum Herrn zu beten, reisten wir auf unserer Reise weiter in Richtung des Zeltes unseres Vaters.

22 Und es begab sich, dass wir
hinunter kamen zum Zelt unseres Vaters. Und nachdem ich und meine Brüder und das ganze Haus Ischmaels
hinunter gekommen waren zum Zelt meines Vaters, boten sie dem Herrn ihrem Gott ihren Dank dar, und sie brachten ihm Opfer und Brandopfer.

Jeder dieser Parallelismen steigert sich, bzw schließt die Aktion ab:

Er würde ihnen die Sache vergeben -> Er vergab ihnen alles

Sie sollten beten-> Sie waren mit Beten fertig

Sie kamen zum Zelt -> Sie waren zum Zelt gekommen

Kommentar

Parallelen zu Josef in der Bibel

Nachdem Nephi bis jetzt die Exodus-Geschichte als Handlungsgrundlage verwendet hat, greift er jetzt auf die Geschichte von Joseph und seinen Brüdern, den Söhnen Israels zurück:

Joseph ist der Lieblingssohn seines Vaters Jakob. Diesen Eindruck hat man von der Beziehung Nephis und Lehis auch.

 

Joseph ist der jüngere Bruder. Nephi auch.

Joseph ist derjenige, den sein Vater ausschickt, um zu sehen, ob die anderen Söhne sich an seine Vorgaben halten. An Nephi wendet sich Lehi, weil Laman und Lemuel die Platten nicht holen wollen.

Joseph hatte einen Traum, in dem er zum Herrscher über seine Brüder bestimmt wird. Nephi wurde von einem Engel zum Lehrer und Herrscher über seine Brüder bestimmt.

Josephs Brüder wollen ihn töten. Nephis Brüder auch.

Josephs Brüder wollen vorgeben, wilde Tiere hätten ihn gefressen, Nephis Brüder wollen ihn fesseln, damit er von wilden Tieren gefressen wird.

Einer der Brüder setzt sich für Joseph ein. Eine der Schwestern setzt sich für Nephi ein.

Nephis Zurechtweisung

Nephi ermuntert hier seine Brüder nicht zur Änderung, er weist sie relativ scharf zurecht. Das führt dazu, dass sie nicht ruhiger, sondern wütender werden.

Nephis Befreiung

Nephis Brüder sind überhaupt nicht überrascht, dass Nephi sich befreien kann. Nephi sagt ja von sich selbst, dass er trotz seiner Jugend groß und stark ist. Insoferne sahen Laman und Lemuel die Befreiung nicht als Wunder. Aber für Nephi war nicht so klar, dass er die Fesseln würde sprengen können, aber nach seinem Gebet braucht er nicht mal Kraft: Die Fesseln fallen von allein. Darin liegt für Nephi das eindeutige Handeln Gottes.

Die Frauen setzen sich für Nephi ein

Hugh Nibley erklärte, dass im Nahen Osten selbst die größten Feinde auf die Bitten einer Mutter und einer Schwester einen Feind verschonen. Insofern konnten die Brüder ohne Gesichtsverlust hier „umkehren“.

Danken und opfern

Nephi grenzt sich hier von denen, die danken und opfern ab: Seinen Brüdern. Dies kann auch darauf hinweisen, dass sie dem deuteronomistischen Opfer- und Gesetzesverständnis näher sind als er.

1 Nephi 7:6-15 Auflehnung der Söhne Ischmaels und Nephis Rede

6 Und es begab sich, dass als wir in der Wildnis reisten, siehe Laman und Lemuel und zwei der Töchter Ischmaels und die zwei Söhne Ischmael und ihre Familien lehnten sich gegen uns auf; ja, gegen ich, Nephi, und Sam und ihren Vater Ischmael und seine Frau, und seine drei anderen Töchter.

7 Und es begab sich in dieser Auflehnung, dass sie begierig waren, zum Land Jerusalem zurück zu kehren.

8 Und nun, ich, Nephi, der ich betrübt war wegen der Härte ihrer Herzen, darum sprach ich zu ihnen und sagte, ja, nämlich zu Laman und zu Lemuel: Siehe, ihr seid, jeder einzelne von Euch, meine älteren Brüder, und wie kommt es, dass ihr so hart in euren Herzen seid, und so blind in eurem Verstand, dass ihr nötig habt, dass ich, euer jüngerer Bruder, zu euch sprechen sollte, ja, und euch ein Beispiel geben?

9 Wie kommt es, dass ihr nicht auf das Wort des Herrn gehört habt?

10 Wie kommt es, dass ihr vergessen habt, dass ihr einen Engel des Herrn gesehen habt?

11 Wie kommt es, dass ihr vergessen habt, wie große Dinge der Herr für uns getan hat, indem er uns aus der Hand Labans befreit hat, und auch dass wir den Bericht erhalten sollten?

12 Ja, und wie kommt es, dass ihr vergessen habt, dass der Herr fähig ist, alle Dinge nach seinem Willen zu tun, für die Kinder der Menschen, wenn es so ist, dass sie Glauben an ihn ausüben? Darum lasst uns glaubenstreu in ihm sein.

13 Und wenn es so ist, dass wir ihm glaubenstreu sind, werden wir ein Land der Verheißung erhalten; und ihr werdet wissen, zu einem zukünftigen Zeitpunkt, dass das Wort des Herrn erfüllt sein wird in Bezug auf die Zerstörung Jerusalems; denn alle Dinge, die der Herr gesprochen hat in Bezug auf die Zerstörung Jerusalems müssen erfüllt werden.

14 Denn siehe, der Geist des Herrn wird bald aufhören, sich mit ihnen abzumühen; den siehe, sie haben die Propheten abgelehnt, und Jeremia haben sie ins Gefängnis geworfen. Und sie haben versucht, das Leben unseres Vaters zu nehmen, so sehr, dass sie ihn aus dem Land getrieben haben.

15 Nun siehe, ich sage zu euch, dass wenn ihr zurückkehren werdet nach Jerusalem, werdet ihr auch mit ihnen umkommen. Und nun, wenn ihr eine Wahl habt, geht hinauf zum Land, und erinnert euch an die Worte, die ich zu euch spreche, dass wenn ihr geht, ihr auch umkommt; den so drängt mich der Geist des Herrn, dass ich sprechen sollte.

Text

6 .. gegen ich, Nephi ..

Dieser grammatikalische Fehler ist in allen Manuskripten und in den Ausgaben von 1830 und 1840 zu finden und wird erst später durch „mich“ ersetzt. Da wir 87 Stellen haben, in denen es  „ich, Nephi“ heißt, aber keine für „mich, Nephi“, schlägt Skousen vor, diese grammatikalisch falsche Wendung zu behalten.

8 .. zu Laman und zu Lemuel ..

Auf Englisch ist es unüblich, die Präposition („zu“) zu wiederholen, im biblischen Hebräisch ist das aber ganz natürlich. Als Oliver Cowdery den Text für das Druckermanuskript kopierte, ließ er das zweite „zu“ irrtümlich aus.

…ihr seid meine älteren Brüder, jeder einzelne von euch…

Im Originalmanuskript steht hier „Du bist meine älteren Brüder“, was im Englischen wie im Deutschen grammatikalisch falsch ist. Ab der 1840 Ausgabe wurde das daher auf „Ihr seid“ ausgebessert. Im Hebräischen ist es jedoch möglich, Einzahl und Mehrzahl in dieser Weise zu mischen. Die Bedeutung ist dann, dass zwar eine Gruppe angesprochen wird, aber jeder einzelne betont gemeint ist. Dahe rhabe ich mit „„ihr seid…, jeder einzelne von euch“ übersetzt.

11 .. wie große Dinge ..

Im Original steht hier „how great things“, erst 1837 wurde auf das übliche „was für große Dinge“ ausgebessert.  Die ursprüngliche Formulierung findet sich regelmäßig in der Bibel, aber zur Zeit von Joseph Smith was sie nicht mehr gebräuchlich.

Darum lasst uns glaubenstreu in ihm sein.

In der Auflage von 1837 änderte Joseph diesen Satz auf „ihm glaubenstreu sein“, aber an anderen Stellen des Buches Mormon, wie auch im Neuen Testament (zB 1Kor 4:17) wird von der Treue in Gott gesprochen, wogegen das Buch Mormon sonst nie die Formulierung „Gott treu sein“ verwendet.

15 … wenn ihr eine Wahl habt…

Offensichtlich haben sie die Wahl. Daher schlägt Skousen vor, dass hier gemeint ist: „Wenn ihr wählt“, oder „wenn ihr wollt“. In der aktuellen deutschen Ausgabe wird es übersetzt als „da ihr die Wahl habt“, was laut Skousen eine mögliche, aber nicht die wahrscheinlichste Variante ist.

Literarisch

Gleicher Satzanfang

In den Versen 8-12 wirft Nephi den Aufsässigen fünf Dinge vor, die er jeweils mit dem gleichen Satzanfang beginnt. Das steigert er noch, in dem er bei den letzten dreien diesen auch noch auf gleiche Weise erweitert:

  1. Verhärtetes Herz und blind im Verstand
  2. Nicht auf den Herrn hören
  3. Vergessen, einen Engel gesehen zu haben
  4. Vergessen, dass der Herr sie nicht nur gerettet, sondern ihnen auch Großes gegeben hat
  5. Vergessen, dass der Herr seinen Willen erfüllen kann, wenn die Menschen im Glauben in ihm bleiben.

Eigentlich ist mit Punkt 1 schon alles gesagt, aber Nephi sagt, dass sie nicht auf den Herrn hören, weil sie ihr Herz verhärten. Dass sie den Engel vergessen haben, genau so, wie das Große, das Gott getan hat, weil sie aktiv ihren Verstand blind machen. Es ist nicht, dass sie an Gottes macht zweifeln müssen, sondern sie wollen das aktiv. Deswegen bleiben sie nicht in der Glaubenstreue zu Herrn.

Hier klingt auch Jesaja 6:9-10 an:

Da sagte er: Geh und sag diesem Volk:
Hören sollt ihr, hören, aber nicht verstehen.
Sehen sollt ihr, sehen, aber nicht erkennen.

Verhärte das Herz dieses Volkes,
verstopf ihm die Ohren,
verkleb ihm die Augen, damit es mit seinen Augen nicht sieht
und mit seinen Ohren nicht hört, damit sein Herz nicht zur Einsicht kommt
und sich nicht bekehrt und nicht geheilt wird.

Parallelismus

In Vers 13 ist wieder ein Chiasmus eingebaut:

Und wenn es so ist, dass wir ihm glaubenstreu sind, werden wir ein Land der Verheißung erhalten; und ihr werdet wissen, zu einem zukünftigen Zeitpunkt, dass das Wort des Herrn

A erfüllt sein wird
….B in Bezug auf die Zerstörung Jerusalems;
……..C denn alle Dinge, die der Herr gesprochen hat
….B in Bezug auf die Zerstörung Jerusalems
A müssen erfüllt werden.

Wie auch schon in den Versen 3-5 ist das Zentrum dieses Chiasmus das Wort Gottes. So, sicher, wie das Wort Gottes Ischmaels Herz erreicht hat, so sicher wird sich auch die Zerstörung Jerusalems erfüllen. Damit drückt Nephi auch literarisch aus, was er davor schon mit klaren Worten gesagt hat: Gott konnte ihnen einen Engel schicken, er konnte den Laban in ihre Hände geben, was er sich vornimmt, das tut er auch. Jerusalem wird zerstört, und sie werden die Beweise davon sehen.

Kommentar

Wir wissen nicht, warum sich die älteren Söhne Lehis und die Söhne Ischmaels gerade jetzt auflehnten. Vielleicht lag es daran, dass sie in der Überzahl waren (zumindest 1 Person mehr; 1 Mann mehr). Vielleicht lag es auch daran, dass sie nach Jerusalem zurückgekehrt waren, und die Stadt stand noch immer. Vielleicht waren auch die Söhne Ischmaels Anhänger der deuteronomistischen Reform, wogegen Ischmael, wie Lehi der Religion vor der Reform treu waren.

Als Anhänger der neuen Deutoromistischen Reform haben Laman und Lemuel wahrscheinlich Deut 13:6,7,9,10 im Ohr gehabt: „Der Prophet oder Traumseher aber soll mit dem Tod bestraft werden. .. Wenn dein Bruder, der dieselbe Mutter hat wie du, oder dein Sohn oder deine Tochter oder deine Frau, mit der du schläfst, oder dein Freund, den du liebst wie dich selbst, dich heimlich verführen will … dann sollst du nicht nachgeben und nicht auf ihn hören. Du sollst in dir kein Mitleid mit ihm aufsteigen lassen, sollst keine Nachsicht für ihn kennen und die Sache nicht vertuschen. … Wenn er hingerichtet wird, sollst du als Erster deine Hand gegen ihn erheben, dann erst das ganze Volk.“

Während wir das lesen, sollten wir uns aber auch bewußt sein, dass Nephi den Text absichtlich an Exodus anlehnt: Er und Lehi sind Moses, seine Brüder sind das aufmüpfige, mürrische Volk, sowie Aaron und Mirijam an schlechten Tagen.

Nephi verwendet nicht nur die selben Handlungsabfolgen wie Exodus, er verwendet auch gezielt Worte, die der biblischen Geschichte entnommen sind, die bei dem Leser diese Assoziation auslösen sollen.

Es ist aber auch bemerkenswert: Obwohl Laman und Lemuel immer wieder murren, obwohl sie auch immer wieder gewalttätig sind, solange Lehi lebt, tun sie, was Lehi und Nephi sagen.

Mit Lehi fliehen sie und lassen alles zurück.

Mit Nephi gehen sie tagelang durch die Wildnis zurück , um die Platten zu holen.

Laman bietet Laban Schätze an und sein eigenes Leben gerät dadurch in Gefahr, und all ihre Schätze sind weg.

Sie warten auf Nephi, während er dann tatsächlich die Platten holt

Nocheinmal gehen sie mit Nephi tagelang durch die Wildnis, um Ischmael und seine Familie zu holen

Mit Nephi bauen sie ein Schiff und fahren damit auch tatsächlich los, obwohl sie keine Ahnung haben, ob das ihr Todesurteil wird oder nicht.

Acht Jahre lang ziehen sie auf der arabischen Halbinsel umher. Jederzeit könnten sie umkehren. Aber sie tun es nicht, obwohl sie zwei Mal dazu ansetzen.

Man könnte Laman und Lemuel auch mit dem Sohn in Jesu Gleichnis vergleichen, der sagt, dass er nicht tun wird, was sein Vater will, es dann aber trotzdem tut. Und doch zeigt Nephi sie nie in diesem Licht. Sie sind immer die Mauler, die Widersetzlichen, die Aufrührer.

Laman und Lemuel waren in ihrer Auflehnung nicht gerechtfertigt.

Es ist aber auch nützlich, sich manchmal in deren Rolle zu versetzen und zu überlegen, wie wir gehandelt hätten, wenn wir es erlebt hätten. Wären wir wirklich Nephi gewesen? Oder doch Laman und Lemuel? Oder die Juden in Jerusalem oder sogar Laban?

 

1 Nephi 7:2-5 Ischmael

2 Und es begab sich, dass der Herr ihm befahl, dass ich, Nephi, und meine Brüder, wiederum in das Land Jerusalem zurückkehren sollten und Ischmael  und seine Familie hinunter in die Wildnis bringen sollten.

3 Und es begab sich, dass ich Nephi, wiederum mit meinen Brüdern vorwärts in die Wildnis ging, um hinauf nach Jerusalem zu gehen.

4 Und es begab sich, dass wir hinauf zum Haus Ischmaels gingen, und wir gewannen Gefallen in der Sicht Ischmaels, so sehr, dass wir ihm die Worte des Herrn sagten.

5 Und es begab sich, dass der Herr das Herz Ischmaels erweichte, und auch seines ganzen Haushalt, so sehr, dass sie die Reise auf sich nahmen mit uns hinunter in die Wildnis zum Zelt unseres Vaters.

Text

2 .. in das Land ..

Im Originalmanuskript steht hier „into“ (in .. hinein), aber in der Ausgabe von 1830 wurde irrtümlich „unto“ gedruckt, also „zu dem Land“. Dies wurde seither beibehalten. In den deutschen Übersetzungen findet sich hier „in das Land“, weil es sprachlich besser ist.

5 .. und auch sein ganzer Haushalt..

Schreiber 3 schrieb hier „his hole“ (sein ganzer – alternative Orthographie!) und ergänzte darüber nochmals „hole“, sodass der Text „his hole hole“ (sein ganzer ganzer) lautete. Oliver Cowdery übertrug in das Druckermanuskript „his household“ (sein Haushalt). Das ist zwar eine Möglichkeit, wie dieser Satz richtig zu stellen war, aber nicht die einzige. Im Buch Mormon gibt es sonst  keine einzige Stelle, in der „Haushalt“ ohne Ergänzung angeführt wird. Die Ergänzungen sind: Ganz, all und „niemand von“, also „All sein Haushalt“, „sein ganzer Haushalt“ oder „niemand von seinem Haushalt“.  Es ist daher wahrscheinlich, dass hier „sein ganzer Haushalt“ gemeint ist.

Parallelismus

Verse 3-5 stellen einen Chiasmus dar:

Und es begab sich, dass ich Nephi,

A  wiederum mit meinen Brüdern vorwärts in die Wildnis ging,
…..B um hinauf nach Jerusalem zu gehen.
……….C Und es begab sich, dass wir hinauf zum Haus Ischmaels gingen
……………D und wir gewannen Gefallen in der Sicht Ischmaels,
………………..E so sehr, dass wir ihm die Worte des Herrn sagten.
……………D Und es begab sich, dass der Herr das Herz Ischmaels erweichte,
……….C und auch seines ganzen Haushalts,
…..B so sehr, dass sie die Reise auf sich nahmen mit uns
A hinunter in die Wildnis zum Zelt unseres Vaters.

Der Wendepunkt (Höhepunkt, Mitte) des Chiasmus sind „die Worte des Herrn“.

Kommentar

 

Auf und ab

John L. Sorenson merkt in seinem Alterswerk über Buch Mormon Geographie, „Mormon’s Map“, im Kapitel 4 an, dass Nephi konsistent und konsequent „auf“, „hinauf“, „ab“, „herunter/hinunter“ für Richtungsangaben verwendet. Jerusalem ist immer „oben“, die Wildnis beim Roten Meer ist immer „unten“. Moroni folgt diesem Schema verlässlich. Das ist eine wichtige Erkenntnis, um eine interne Landkarte des Buches Mormon zu schaffen.

Abstammung Ishmaels

Wie Don Bradley in „The Lost 116 Pages“ schreibt, wurde schon zu Joseph Smiths Zeiten das Buch Mormon mit der Prophezeiung Ezechiels über das Holz Ephraims in Verbindung gebracht (Ez 37:16,19). Wir erfahren jedoch über Lehi, dass er von Manasse (Alma 10:3) abstammt. Diese Frage beschäftigte auch die ersten Mitglieder der Kirche.

Franklin D. Richards erinnert sich daran, diese auch dem Propheten gestellt zu haben. Die Antwort war, dass Ischmael vom Stamm Ephraim war, dass Ischmael hauptsächlich Töchter hatte, und dass dadurch Ephraim und Manasse zusammengekommen waren. Joseph sagte, „der Bericht Lehis war auf den 116 Seiten enthalten, die zuerst übersetzt und dann gestohlen worden waren, und eine Kurzfassung davon ist im 1. Buch Nephi, welches der persönliche Bericht Nephis ist, der selbst von Manasse abstammte; aber [..] Ischmael war aus der Linie Ephraims, und [..] seine Söhne heirateten in Lehis Familie, und Lehis Söhne heirateten Ischmaels Töchter. Dadurch erfüllten sie die Worte, die im 48. Kapitel von Genesis [Vers 16] zu finden sind.“

Richards Aussage ist in seinem Buch Origin of the American Aborigines“ auf Seite 425 zu finden. Orson Pratt, Erastus Snow und Charles B. Thompson bestätigten dies.

Klar ist außerdem, dass es zwischen Lehi und Ischmael schon irgendeine Beziehung gegeben haben muss. Es ist anzunehmen, dass diese Beziehung in den verlorenen Seiten des Buches Mormon dargelegt war, denn Nephi behandelt es als selbstverständlich, dass gerade Ischmael und seine Familie ausgewählt wurde.

Es wurde spekuliert, dass Ischmaels Söhne schon vor Beginn der Reise Lehis mit Töchtern Lehis verheiratet waren, aber das würde bedeuten, dass Lehi seine Töchter für die Zerstörung Jerusalems zurückgelassen hätte und sie nur auf Aufforderung Gottes geholt hätte. Außerdem werden die Frauen der Söhne Ischmaels in keiner einzigen Stelle, wo sie erwähnt werden als Töchter Lehis identifiziert. In Alma 3:7 wird sogar nur von „ischmaelitischen Frauen“ gesprochen.

Hugh Nibley spekuliert, dass Ischmael der Bruder Lehis gewesen sein könnte ((Hugh Nibely, „Lehi in the Deseret,“ 40).

John L. Sorenson versucht das Alter der Familienmitglieder Ishmaels beim Auszug aus Jerusalem zu ermitteln und schlägt vor, dass die älteste Tochter (sie heiratet Zoram) etwa 31 Jahre alt sein muss, gefolgt von einem Sohn mit 29 Jahren, dem zweiten mit etwa 26 Jahren, Lamans Frau etwa 24, Lemuels Frau 21, Sams Frau 19 und Nephis Frau etwa 16 Jahre alt. Ischmael selbst könnte in den frühen 50ern gewesen sein, und seine Frau ein Wenig jünger.

 

Parallelismus

Eine interessante Frage ist, warum Nephi hier eine Gedichtform verwendet. Wenn man bedenkt, dass Nephi diesen Bericht Jahrzehnte nach dem Ereignis verfasst, dann scheint er im Nachinein verwundert zu sein, dass Ischmael und seine Familie sich tatsächlich dazu entschlossen haben, Lehi und ihm zu folgen.

Er begründet das damit, dass sie zuerst Wohlgefallen in den Augen Ischmaels fanden und ihm dann, als zentrale Botschaft, das Wort Gottes verkündeten. So, wie sie auf Ischmael eingewirkte hatten, so wirkte nun der Geist Gottes und erweichte Ischmaels Herz.

Nephi zeigt hier möglicherweise auch einen Weg auf, wie man das Wort Gottes an andere heranträgt: Man platzt nicht mit der Tür ins Haus, sondern man achtet zuerst darauf, dass es Sympathie und einen gewissen Gleichklang gibt, und dann erst bringt man das Wort Gottes. Man lässt dann den Geist Gottes wirken.